Im Rahmen der zweiten Tanztheater-Premiere des Jahres gastiert einer der einflussreichsten Choreographen Brasiliens in Radebeul: Mario Nascimento ist Leiter der Tanzcompagnie des berühmten „Teatro Amazonas“ in Manuas. Für BACH BRASIL – Die Kunst der Flucht arbeitet er mit den Tänzerinnen und Tänzern der Landesbühnen Sachsen zusammen, setzt wertvolle künstlerische Impulse und schafft interkulturelle Begegnungen.
Im Vorfeld der Premiere, die am 16. April an den Landesbühnen Sachsen stattfindet, sprach die Dramaturgin Johanna Jäger mit Mario Nascimento über das aktuelle Projekt und seine Arbeit:
Was ist die Quelle Ihrer Inspiration? Wie arbeiten Sie?
Nascimento: Ausgangspunkt meiner Arbeit war die Auseinandersetzung mit dem großartigen Komponisten Johann Sebastian Bach. Er ist eine Herausforderung für das Ohr und die Partituren sind unglaublich anregend. Gleichzeitig bringe ich natürlich brasilianischen Stil und Denken mit. Das fließt in meine Gedanken und Konzepte ganz selbstverständlich ein, es fügt sich. Und hier hatte ich dann ein tolles Ensemble, durch das sich meine Ideen sofort potenzierten.
Ich verstehe mich als vielseitiger Körperkomponist und meine Bewegungsarbeit bestand darin, Bachs Werk fließend mit meinem choreografischen Denken in Kontakt zu bringen. Dieses Denken ist stark von der Kraft und kulturellen Vielfalt des Amazonas inspiriert. Die Kooperation bestand für mich also nicht nur zwischen der Musik und der körperlichen Bewegung, sondern auch darin, meine in Brasilien verinnerlichte Tanzsprache in andere Körper zu bringen. Hier trifft sich die Ausgangsfrage: Wie bringe ich die Musiksprache in den Körper und wir meine Bewegungssprache in die Körper der Tänzer*innen?
© Carsten Beier
Seit 2019 sind Sie der Künstlerische Leiter der Corpo de Danças do Amazonas, der Tanzcompagnie des Theaters in Manaus, einer der größten Tanzcompagnien in ganz Brasilien. Als Choreograph und Tänzer sind Sie in einer sehr einflussreichen Position in Brasilien und Amazonas. Was bedeutet es für Sie, Ihre künstlerische Vision nun nach Deutschland zu bringen?
Nascimento: Es ist vor allem ein Körper, den ich mitbringe. Ich habe eine brasilianische Tanzausbildung, die ich durch meine Arbeit hier teile. Aber auch die Arbeit mit dem Danças do Amazonas prägt mich und mein Denken. Diese Company ist sehr besonders und hat eine eigene künstlerische Kraft, sie ist seit jeher der Kern des Kulturlebens der Stadt Manaus und heute für ganz Brasilien relevant. Wenn man mit so einer Compagnie arbeitet, bringt man die Tradition, den Rhythmus, die Inspiration auch mit nach Deutschland.
Ich bringe also nicht nur meine eigene choreographische Sprache mit, sondern eine ganze kulturelle Identität.
Wenn Ihre Figuren auf der Bühne aufeinandertreffen, dann halten sie sich, umschlingen sich und schwingen miteinander wie Pendel. Was sind die Körper auf der Bühne für Sie?
Nascimento: Die Körper stehen nicht für sich allein, sie repräsentieren einen urbanen, kollektiven Fluss. Die Körper wollen sich davon vielleicht distanzieren, aber gleichzeitig brauchen sie die Annäherung. Manchmal tragen und halten sie sich freiwillig und manchmal geraten sie zufällig ineinander.
Dazu kommt mein eigener Hintergrund: Brasilianer im Allgemeinen und im Besonderen die Menschen in Manaus sind warmherzig, offen und affektiv. Körperlicher und visueller Kontakt sind Teil des täglichen Lebens. Blicke, Berührungen, Umarmungen und menschliche Knäuel sind absolut brasilianisch. Das zeigt natürlich auch meine Choreographie.